Recht

“Durchfahrt verboten”-Zeichen 250 mit Zusatz: Unklarheit wegen Ausnahmen

Jeder Verkehrsteilnehmer in Deutschland kennt das Verkehrszeichen 250. Ein kreisrundes Schild mit einem schmalen roten Rand auf weißer Fläche signalisiert: “Durchfahrt verboten für Fahrzeuge aller Art”. Doch so klar es auf den ersten Blick auch scheinen mag, ist es nicht. In Deutschland existieren nämlich zahlreiche Ausnahmeregelungen. Ein bekanntes Beispiel: Das Zusatzschild “Landwirtschaftlicher Verkehr und Radfahrer frei” sorgt quer durch die Republik für Unmut und gerichtliche Auseinandersetzungen. Auch die Bundesregierung musste sich im Rahmen einer Kleinen Anfrage vom 04.07.2018 zur Klärung der Rechtslage äußern – mit überraschenden Erkenntnissen.

Ein schwarzer SUV biegt auf eine asphaltierte Flurstrecke ein, die mit dem “Durchfahrt verboten”-Verkehrszeichen 250 und dem Zusatzschild “Landwirtschaftlicher Verkehr und Radfahrer frei” versehen ist. Der Wagen kommt aus einer Wohnsiedlung mit einer Höchstgeschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h und beschleunigt, als er das “Durchfahrt verboten”-Schild passiert. Eine langgezogene Linkskurve mit Bäumen und Büschen versperrt dem Fahrer die Sicht auf die schmale Flurstrecke, so dass er nicht ahnt, dass ein Kind auf einem Fahrrad entgegenkommt. Das Kind erschrickt und fällt dabei fast vom Rad, als der Pkw beschleunigend um die Kurve entgegenkommt.

“Durchfahrt verboten”-Verkehrszeichen 250 mit Ausnahmebeschilderung “Landwirtschaftlicher Verkehr und Radfahrer frei”

Der Fahrer – ebenfalls erschrocken – kann gerade noch reagieren und bremst stark, während sich das Kind mit seinem Fahrrad an den schmalen Rand der Flurstrecke drückt. Ein schwerer Unfall wurde gerade noch abgewendet. Sogleich stellen die Eltern des Kindes den Fahrer zur Rede. Sie argumentieren, dass der Fahrer des Pkw aufgrund der Beschilderung gar nicht hätte einfahren dürfen. Der Fahrer wiederum behauptet, als Schrebergartenbesitzer entlang der Flurstrecke Zugang zu haben. Wer hat nun recht?

“In der Praxis herrschen Verwirrung und Unsicherheit vor”

Das reale Beispiel ist leider kein Einzelfall in Deutschland und zeigt die Unklarheit in Bezug auf die existierenden Ausnahmenregelungen. Grund genug für eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Bauer, Karlheinz Busen, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Drucksache 19/2791), die die Bundesregierung im Sommer 2018 aufgefordert haben, die für Verkehrsteilnehmer oft unklare Rechtslage zu klären:

“Das Zusatzzeichen Z 1026-36 „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ wird häufig mit den Verkehrszeichen (VZ) 250 oder 260 gemäß Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung (StVZO) kombiniert und kommt an zahlreichen Wegen und Straßen in Deutschland zur Anwendung. Das Thema, welche Verkehrsteilnehmer zur Land- und Forstwirtschaft zählen und welche nicht, ist komplex. In der Praxis herrschen Verwirrung und Unsicherheit vor, vereinzelt kommt es zu Streitigkeiten und Konflikten zwischen einzelnen Interessengruppen oder Personen. Zahlreiche Gerichtsverfahren haben sich aufgrund von Bußgeldbescheiden mit dem Thema beschäftigt.”

Darf der private Schrebergartenbesitzer aus dem Beispiel mit seinem Pkw einfahren?

Insbesondere Frage 9 der Kleinen Anfrage ist hierzu interessant: „Ist es zutreffend, dass Ernteerzeugnisse von Flächen aus nicht gewerblichem Gemüse-, Obst- und Gartenbau, die sich an Straßen oder Wegen mit einer Verkehrszeichenkombination VZ 250 mit Zusatzzeichen Z 1026-36 oder VZ 260 mit Zusatzzeichen Z 1026-36 befinden, nicht mit einem Privatfahrzeug abtransportiert werden dürfen bzw. nur nach Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrsordnung (StVO)?“

Die Bundesregierung beantwortet diese Frage mit „Ja“. Demnach ist es unzulässig als nicht gewerblicher Anlieger Ernteerzeugnisse mit einem Privatfahrzeug abzuholen. Ein an der Flurstrecke anliegender privater Nutzer gilt mit seinem Pkw demnach nicht als landwirtschaftlicher Verkehr und würde eigens zum Ernten eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrsordnung (StVO) benötigen.

Eine asphaltierte Flurstrecke bei Hallerndorf im Landkreis Forchheim, die nur für landwirtschaftlichen Verkehr und Radfahrer freigegeben ist

Wo kein Kläger, da kein Richter

Die Frage also, ob der Fahrer des SUV aus dem oben genannten Beispiel hätte einfahren dürfen, muss an dieser Stelle gemäß der Aussage der Bundesregierung verneint werden, sofern er als privater Schrebergartenbesitzer über keine Ausnahmeregelung nach § 46 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verfügt. In der Praxis ist es jedoch schwer für die im Beispiel genannten Eltern des Kindes nachzuvollziehen, ob der Pkw-Fahrer und private Schrebergartenbesitzer über eine solche Ausnahmeregelung verfügt.

Für Zufahrtsberechtigte, die für andere Verkehrsteilnehmer als solche nicht klar als landwirtschaftlicher Verkehr erkennbar sind, wäre es ein Leichtes mit einer bereitliegenden Ausnahmegenehmigung schnell für Klarheit zu sorgen. Da dies in der Regel nicht der Fall ist, hilft faktisch nur eine Anzeige bei der örtlichen Polizeibehörde, die dann ermitteln muss. Trotz der zahlreichen Gerichtsverfahren infolge von Bußgeldbescheiden in Deutschland dürfte die Dunkelziffer derer, die den Aufwand einer Anzeige scheuen, hoch sein, so dass weiterhin gilt: “Wo kein Kläger, da kein Richter”. In jedem Fall kann ein zur Anzeige gebrachter Verstoß gemäß Bußgeldkatalog je nach Fahrzeug und Schwere des Verstoßes mit Bußgeldern zwischen 25 Euro und 100 Euro belegt werden.

Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Für rechtsverbindliche Aussagen in Ihrer Angelegenheit wenden Sie sich ausschließlich an einen Rechtsanwalt.

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